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Rückkehr aus Manila - Bericht von Dr. Scholber

Von humedica entsendet, traf Dr. Scholber vergangene Woche zusammen mit drei weiteren humedica-Mitarbeitern in Manila ein. Seine Erfahrungen nach Ketsana schrieb er in folgendem Text nieder.

Von humedica entsendet, traf Dr. Scholber vergangene Woche zusammen mit drei weiteren humedica-Mitarbeitern in Manila ein. Seine Erfahrungen nach Ketsana schrieb er in folgendem Text nieder.

Der Gestank ist allgegenwärtig. Er beißt in der Nase und zieht in die Kleidung. Kniehoch bedeckt fauliger Schlamm die Straßen, darin dümpeln Trümmer von Wohnungseinrichtungen, Müll und Tierkadaver. Als hätte ein verrückter Riese gewütet, liegen an der Straßenrändern umgekippte Autowracks, viele davon auf dem Dach. Auf einem Strommasten hängt ein zerbeulter, schlammbedeckter Kühlschrank.

Am Samstag, den 26. September war der Zyklon "Ketsana" ("Ondoy") über die nördlichen Philippinen hinweggefegt und hatte die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten verursacht. Wasser- und Schlammlawinen ergossen sich über die tiefer gelegenen Teile der Megametropole Manila. Schlamm- und Wassermassen reichten bis zum zweiten Stockwerk.

Als Mitglied eines vierköpfigen humedica-Teams war ich am Montag, den 28. September mit medizinischer Ausrüstung und Medikamenten nach Manila aufgebrochen, um mit gemeinsam dem örtlichen Kooperationspartner Scandinavian Children’s Mission in den am schlimmsten betroffenen, armen Stadtteilen medizinische Hilfe zu leisten.

Der Ortsbürgermeister von Marikina City sorgte für unseren ersten Behandlungsplatz: eine offene Basketballhalle, die in aller Eile wenigstens teilweise von Schlamm und Trümmern gereinigt wurde. Wir (zwei Ärzte, eine Kinderkrankenschwester und eine Koordinatorin) wurden an diesem Tag von zwei philippinischen Ärzten unterstützt.

Die Schwestern und Helfer der Children’s Mission bauten hochprofessionell improvisierte Behandlungsstationen auf, philippinische UN-Soldaten sorgten für Ordnung und halfen bei der Registrierung und beim Übersetzen.

Die Patienten, darunter viele Kinder, litten unter Atemwegsinfektionen, Durchfall und Asthma. Ein besonderes Problem waren Schnittverletzungen an den Füssen, die beim Waten in der allgegenwärtigen, trümmergefüllten trüben Brühe entstanden waren. Viele Patienten litten unter Hautinfektionen, die meist ausgedehnt waren. Fast jeder hatte sich einen Fußpilz zugezogen

Am nächsten Tag bauten wir einen Behandlungsplatz in einem Evacuation Center, einer Schule, auf. Dicht gedrängt sind dort diejenigen untergebracht, deren Wohnungen völlig unbewohnbar geworden sind. Die hygienischen Probleme einer solchen Massenunterkunft waren deutlich spürbar. Stinkender Müll überall. Barfuß und mit bloßen Händen bemühten sich die Müllwerker, Herr der Lage zu werden.

Inzwischen versucht man, die enormen Schutt- und Müllmengen, die der Zyklon hinterlassen hat, einzusammeln und mit Lastwagen zu einer Hauptstraße am Rand der Stadt zu fahren.

Auf der halbseitig gesperrten Straße wird der Müll provisorisch gelagert, der Gestank ist unvorstellbar. Die Mülldeponie, auf der ja auch Menschen wohnen, verkraftet diese Mengen offenbar nicht mehr und zum Verbrennen ist der Unrat noch zu feucht.

Der nahende Zyklon "Pepeng" ("Parma") verurteilte uns am Samstag zur Untätigkeit. Es wurde befürchtet, dass dieser Superzyklon, der noch stärker werden sollte als der erste, erneut auf Manila trifft. Im Fernsehen liefen rund um die Uhr Sendungen mit Warnhinweisen und Verhaltensregeln für die Bevölkerung.

Die Geschäfte waren nach Hamsterkäufen leer, auf den sonst sehr belebten Straßen herrschte gespenstische Stille. Glücklicherweise verschonte "Pepeng" Manila, außer etwas Wind und Regen war nichts zu spüren.

Der nächste Behandlungstag führte uns in den schwer betroffenen Stadtteil Taytay. In dieser armen Gegend gibt es neben einfachen Steinhäusern zahlreiche Wellblechhütten und Unterkünfte aus Holzlatten und Plastikplanen.

"High density areas" nennt man diese überbevölkerten Stadtteile mit den bekannten hygienischen Problemen hier. Erhebliche Teile von Tay Tay stehen immer noch unter Wasser und es wird befürchtet, dass dies bis zum Dezember so bleibt.

Die Bewohner haben aus allem, was irgendwie dazu geeignet ist, Flöße gebaut: Holzlatten, Plastikteile, Dachelemente. Für den Auftrieb sorgen seitlich angebrachte leere Kanister. Auch eine umfunktionierte Badewanne wurde gesichtet. Diese wackeligen Gefährte werden von ihren Kapitänen gegen einen geringen Fahrpreis durch die trübe Brühe geschoben. Wer sich den Fahrpreis nicht leisten kann, watet bis zur Brust durch den Unrat.

In einer winzigen Kirche, an der das Wasser bis zur Türschwelle stand, hielten wir eine Sprechstunde ab. Es war gar nicht so einfach, die Ausrüstung trocken dorthin zu bringen. Unterstützt wurden wir von Mitarbeitern der Freien evangelischen Kirche, die uns auf die Not in dieser Gegend aufmerksam gemacht hatten.

Die Kirchenmitarbeiter, ein deutsches Pastorenehepaar, eine Physiotherapeutin sowie Helfer und Zivildienstleistende aus Deutschland, waren selbst von der Flut betroffen, einige hatten alles verloren und hatten sich nur unter Lebensgefahr aus den stark strömenden Wassermassen retten können. Jetzt versorgten sie die Menschen hier mit Reis und Wasser. Wie an den vorhergehenden Behandlungstagen bestimmten Atemwegs- und Hautinfektionen das Bild, dazu kamen bei den Kindern schwere eitrige Gehörgangsentzündungen, verursacht durch das faulige Wasser.

Noch am gleichen Abend flog ich wie geplant nach Deutschland zurück. Meine Ablösung, eine Kollegin aus Portugal, kam wenige Stunden später in Manila an. Das humedica-Hilfsprojekt, das inzwischen vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland finanziell unterstützt wird, wird bis Mitte November fortgesetzt. Dies wird auch notwendig sein, denn die übelsten Folgen der Wasserverunreinigung sind erst in den nächsten Wochen zu erwarten.