
10. Humanitärer Kongress in Berlin: Gestern Hoffnung, heute Ratlosigkeit, morgen Chaos?
Als David Sanders, Professor für Gesundheitswesen an der Western Cape-Universität im südafrikanischen Kapstadt, nach seinem knapp einstündigen Impulsreferat zum Auftakt des 10. Humanitären Kongresses in Berlin das Podium verließ, war vielen der rund 250 Teilnehmern offensichtlich nicht klar, ob sie lachen oder weinen sollten.
Seine nüchterne, überaus pointierte Analyse der weltweiten Gesundheitssituation stellte unbewusst, in jedem Fall aber indirekt die Frage, ob wir den aktuellen Herausforderungen überhaupt noch gewachsen sind und ob Gesundheit jemals ein fundamentales Recht für alle Menschen sein wird.

"Patient oder System? Was steht heute im Fokus unserer medizinischen Hilfe?" Die thematische Fragestellung des Jubiläumskongresses im gediegenen Kaiserin-Friedrich-Haus auf dem Gelände der Berliner Charité hätte kaum passender sein können.
Im Schatten der weltweiten Finanzkrise entwickelt sich die humanitäre Situation eines Großteils der Erdbevölkerung zur ultimativen Herausforderung der Menschheitsgeschichte. Sie äußert sich in allgemeiner Armut, insbesondere aber auch fehlendem Zugang zu einer Gesundheitsversorgung, die den Einzelnen im Fokus hat, aber in aller Regel durch ein System realisiert wird.
Darüber hinaus ist es in Expertenkreisen weitgehend unstrittig, dass Hunger, Krankheiten und soziale Ungerechtigkeiten langfristig weitaus dramatischere Konsequenzen haben werden, als es eine Finanzkrise jemals haben könnte.
Frank Dörner, Geschäftsführer der deutschen Division von Ärzte ohne Grenzen e. V., betonte in seinem Kurzvortrag, ausschließlich Menschen in Not im Fokus der eigenen Anstrengungen zu sehen. Eine Einschätzung, die nicht nur humedica teilt, sondern auch von einem Gros der in Berlin vertretenen Hilfsorganisationen so oder ähnlich formuliert wird.
Bleibt die Frage, ob die international engagierten Organisationen humanitären Herausforderungen unserer Zeit tatsächlich gewachsen sein werden. War tatsächlich gestern Hoffnung, herrscht heute Ratlosigkeit und morgen Chaos? Man könnte diesen Eindruck gewinnen.
Trotz besserer Medikationsmöglichkeiten breitet sich AIDS in Form des HI-Virus weiter aus. Und auch Malaria und Tuberkulose fordern Todesopfer, deren Leben mit entsprechend verfügbaren Mitteln gerettet werden könnten.

Dennoch gibt keiner der Helfer die Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation von Millionen Menschen in Not auf; trotz partieller Ratlosigkeit und durchaus anzutreffendem Chaos. Dies war aus den Gesichtern aller Teilnehmer und Besucher unmissverständlich zu lesen.
Am Ende zweier spannender Kongresstage könnte man aus dem, was der Dichter "Moral von der Geschicht’" nennt, zwei weitere Erkenntnisse gewinnen: Erstens scheint es enorm wichtig, aus dem Nebeneinander von Organisationen ein sinnvolles Miteinander zu entwickeln. Nur mit gebündelten Kräften scheinen Nachhaltigkeit und Effizienz von Hilfe gewährleistet.
Zum Zweiten muss allen humanitären Nichtregierungsorganisationen klar sein, dass es auch Systeme bedarf, um das avisierte Individuum zu erreichen. So ist und bleibt die Ausgangsfragestellung zwar in der Theorie eindeutig zu beantworten; natürlich muss immer der Mensch im Mittelpunkt der Hilfe stehen. In der Praxis aber wird es weiterhin Herausforderungen im Umgang mit Systemen zu bewältigen geben.
Insbesondere angesichts der Möglichkeit, funktionierende Kontakte zu anderen Organisationen knüpfen zu können, ist und bleibt der Humanitäre Kongress in der Bundeshauptstadt Berlin eine enorm wichtige Veranstaltung für humedica. So zeigten sich viele Ärztinnen und Ärzte unter den Teilnehmern interessiert, an einem humedica-Einsatz teilzunehmen.
