
Unterwegs in Nepal

Der Monsun dieses Jahr war außergewöhnlich stark. Ganze Landstriche Südasiens verwandelten sich in eine einzig große Seenlandschaft. Daniela Schempp aus Schwäbisch-Gmünd war für humedica einen Monat lang als Koordinatorin im Einsatz. Seit wenigen Wochen ist sie wieder zurück aus Nepal, doch viele Erlebnisse bleiben für sie unvergesslich.
Daniela, Du warst als Koordinatorin für rund einen Monat in Nepal. Wie war die Situation dort, als Du das Land wieder verlassen hast?
Obwohl das Wasser zurückgegangen ist und die Regenfälle langsam nachlassen, kann man nicht von Entspannung sprechen. Noch immer sind zahlreiche Straßen und Brücken unpassierbar oder weggespült. Es sind oft lange und beschwerliche Fußmärsche nötig, um die entlegenen Dörfer zu erreichen. Auch sind viele der zerstörten Häuser noch nicht wieder aufgebaut. Es gibt also immer noch viele Dinge, die das alltägliche Leben stark beeinträchtigen. Doch neben diesen erkennbaren Schäden hat die Flut noch deutlich mehr zu verantworten. Viele Familien haben Vieh und große Teile ihrer Reisfelder und damit ihrer Ernte verloren. Das Ausmaß dieser Schäden wird sich sicher erst in ein paar Monaten zeigen.
In welcher Situation hast Du die Bevölkerung bei Deiner Ankunft vorgefunden?

In der Region um Bathanaha behandelten wir hauptsächlich Menschen aus Dörfern der untersten Kasten. Diese Menschen waren bereits vor der Flut sehr arm und kämpfen nun um ihr Überleben. Für viele ist der Zugang zu medizinischer Versorgung neu. Schon bei unserer Ankunft am Morgen wurden wir an vielen Tagen von 200 bis 300 Menschen erwartet.
Wie haben die Betroffenen auf die Überschwemmungen reagiert?
Nach außen schien es, als würde die Bevölkerung die Situation erstaunlich gefasst aufnehmen. Diese Einschätzung beruht aber bestimmt darauf, dass wir die Nepalesen generell als sehr ruhige und freundliche Menschen erlebt haben, die nie ein negatives Gefühl zeigen. Auch wenn wir beispielsweise ein Kind nicht bei unserer Untersuchung berücksichtigen konnten, da kränkere Kinder vorgezogen wurden, gab es niemals laute Worte oder Beschimpfungen.
Was waren die häufigsten Krankheiten, die behandelt werden mussten?

Da wir grundsätzlich in Gebieten arbeiteten, die auch unter normalen Bedingungen über keinerlei oder nur sehr grundlegende medizinische Versorgung verfügen, behandelten wir neben den situationsbedingten Erkrankungen wie Durchfall-, Haut- oder Lungenerkrankungen auch tropische Krankheiten wie Malaria, TBC oder Lepra.
Welche Räume konnten für Untersuchungen genutzt werden?
Um ein möglichst großes Gebiet mit unserer medizinischen Versorgung abdecken zu können, verbrachten wir immer nur rund zwei Tage an einem Ort, um dann unseren Einsatzort zu verlegen. In den Dörfern, die wir besuchten, haben wir unsere Sprechstunden oft mit der Unterstützung der Lehrer in den dortigen Schulen durchgeführt. Wir benutzten meistens ein oder zwei Klassenzimmer als Untersuchungsraum, die jedoch recht dunkel, sehr warm und schwül waren. Von der Decke fielen immer wieder Käfer und auch Schlangen verirrten sich ab und zu in die kleinen muffeligen Untersuchungszimmer. Den Luxus von Licht und Ventilatoren gab es dort nicht, da wir grundsätzlich in medizinisch schlecht oder gar nicht versorgten Gebieten arbeiteten.
Inwieweit wurdet Ihr bei Eurer Arbeit von lokalen Kräften unterstützt?

Die Kooperation mit der Kirche und den lokalen Krankenpflegern hat uns sehr geholfen. Sie unterstützten uns in vielerlei Hinsicht und taten alles, was ihnen möglich war, um uns das Arbeiten zu erleichtern. Dagegen waren jedoch die vielen Hierarchien und die bürokratischen Wege oft sehr mühsam und frustrierend. Anweisungen wurden mehrfach vom Schreibtisch aus erteilt, wodurch sie sich in der Praxis als äußerst kompliziert und oft nicht umsetzbar erwiesen.
Was wird Dir von Deinem Einsatz in Nepal in Erinnerung bleiben?

Natürlich gab es immer wieder Herausforderungen, die uns die Arbeit sehr erschwerten. Neben den naturbedingten Schwierigkeiten wie zum Beispiel überflutete Straßen, weggeschwemmte Brücken und zu hohe Wasserstände bei unseren Flussüberquerungen kam es auch immer wieder zu Beeinträchtigungen durch die unruhige politische Lage, die längerfristige Planungen unmöglich und stundenlanges Warten zur Gewohnheit machten. Doch auch wenn es diese Schwierigkeiten gab, überwiegen dennoch die positiven Gefühle. Der sehr gute Teamgeist und vor allem die Dankbarkeit der Dorfbewohner werden mir in Erinnerung bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch.