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Über normal unnormale Arbeitstage und ihre Herausforderungen

Während in Deutschland Ende November schlagartig der Winter Einzug hielt, fand sich die Ärztin Sabine Kirchner im meist sonnigen, nur gelegentlich von einigen heftigen Regengüssen heimgesuchten Zentralafrika wieder. Mit humedica war die Allgemeinmedizinerin aus dem Erzgebirge in Uganda tätig, wo sie in Grenznähe zum Nachbarstaat Kongo Flüchtlinge behandelte und die Normalität eines Patientenalltages völlig fremde Dimensionen annahm.

Während in Deutschland Ende November schlagartig der Winter Einzug hielt, fand sich die Ärztin Sabine Kirchner im meist sonnigen, nur gelegentlich von einigen heftigen Regengüssen heimgesuchten Zentralafrika wieder. Mit humedica war die Allgemeinmedizinerin aus dem Erzgebirge in Uganda tätig, wo sie in Grenznähe zum Nachbarstaat Kongo Flüchtlinge behandelte und die Normalität eines Patientenalltages völlig fremde Dimensionen annahm.

„Noch überwältigt von der großartigen Gebirgslandschaft mit ihrer üppigen Vegetation auf unserer Fahrt von Kigali nach Kisoro, winken uns die Kinder am Straßenrand mit einem freundlichen: „Muzungu, how are you?“ zu (Anmerkung: „Weiße, wie geht es euch?“). Wie oft haben wir diese Worte in den 15 Tagen unseres Einsatzes wohl gehört? Mit ihren großen Augen schauen sie uns dabei erwartungsvoll an. Schnell haben sie ein Lächeln auf ihren Gesichtern.

Zur Schule können die meisten von ihnen nicht gehen, da ihre Eltern die 10.000 ugandischen Schilling Schulgeld im Monat nicht aufbringen können – das sind umgerechnet 3,30 Euro. Die Kleinen plappern die wenigen englischen Worte fröhlich den älteren Kindern nach.

Ihre Körper sind oftmals abgemagert, dabei fallen die großen und geblähten, meist mit Parasiten gefüllten Bäuche auf. Gelegentlich entweicht ihren Lippen ein: „I´m hungry!“- „Ich bin hungrig!“, was ich ihnen auch sofort glaube.

Mit humedica bieten wir in der Dorfgesundheitsstation der kleinen Grenzstadt zur Demokratischen Republik Kongo Bunagana unsere medizinische Hilfe an. Die einheimischen Kräfte sind durch den anhaltenden Flüchtlingsstrom aufgrund des Bürgerkrieges in dem Nachbarland schlichtweg überfordert.

Morgens wird uns Celine gebracht, mit einem Jahr und sieben Monaten bringt sie nicht einmal sieben Kilogramm auf die Waage. Auf die Frage nach der Ernährung erwidert die selbst ausgezehrte Mutter, dass sie noch voll stillt. Ich versuche ihr zu erklären, dass das Mädchen dringend weitere energiereiche Nahrung erhalten muss.

Die Mutter schaut mich ungläubig an und fragt, ob ich Wasser meine. So erfahre ich, dass Milch für Kinder in Uganda eine Delikatesse ist. Etwas verlegen versuche ich, die Mutter von der Zubereitung von Suppen und Brei für ihr Kind zu überzeugen und verordne ein Multivitamin- und Eisenpräparat.

Gegen Mittag kommt eine kranke Frau aus dem Kongo mit ihrem nicht weniger kranken Kleinkind im Huckepack in meine Sprechstunde und lässt sich erschöpft auf den Stuhl nieder. Sie teilt mir mit, dass sie um sechs Uhr in der Früh zu Hause losgelaufen sei. Der Weg aus ihrer Heimat zu dem Gesundheitsposten in Bunagana ist nicht ungefährlich und führt über Schotterpisten mehrmals bergauf und bergab.

Ihr kleiner Junge fiebert hoch, hat seit Tagen Durchfall und erbricht. So kommt auch der verabreichte Paracetamolsaft prompt mit mehreren hochgewürgten Würmern im hohen Bogen zurück.

Am gleichen Tag erscheint eine junge Mutter mit ihren beiden eine Woche alten Zwillingsmädchen im Gesundheitsposten und klagt darüber, dass Blessing seit ihrer Geburt niemals Stuhlgang gehabt hätte, während ihr Schwesterchen Blessed völlig okay sei. Die beiden Mädchen waren viel zu früh auf die Welt gekommen, ein Geburtsgewicht konnte mir die Mutter nicht nennen.

Während der zweite Zwilling – Blessed – mit stattlichen 1.500 Gramm munter strampelte und kräftig an der Mutterbrust saugte, hatte Blessing, die immerhin 1.600 Gramm auf die Waage brachte, keinerlei Saug- oder Schluckreflex, war stark unterkühlt und bewegte sich wenig spontan. Wahrscheinlich hatte das Mädchen seit ihrer Geburt kaum Nahrung zu sich genommen.

Ich erkläre der Mutter, dass Blessing, bis sie selber kräftig genug trinkt, dringend über eine nasogastrale Sonde (Anmerkung: eine durch die Nase gelegte Magensonde) die Muttermilch erhalten muss und schreibe für die drei einen Einweisungsschein in das städtische Kisoro Hospital.

Das bedeutet für die Familie einen mehrstündigen Fußmarsch, denn ein Fahrzeug, mit dem wir Patienten ins Krankenhaus bringen könnten, haben wir nicht. Also heißt es: das kranke Kind warm halten, Hautkontakt herstellen, in eine warme Decke einwickeln und auf den Weg schicken.

Noch während der Beratung eilt unsere lokale Krankenschwester Demi aufgeregt mit einem Jungen ins Sprechzimmer und sagt, er hätte einen großen Tumor und müsste sofort behandelt werden. Collin ist acht Jahre alt und leidet seit seiner Geburt an einer extremen Skoliose, also einer Selbstverbiegung der Wirbelsäule. Durch seinen chronischen Sauerstoffmangel entspricht seine körperliche Entwicklung der eines fünfjährigen Kindes.

Ich erkläre der Mutter, dass Collin dringend operiert werden müsste und frage Demi, ob das hier möglich sei. Sie zuckt mit den Achseln und meint, vielleicht in der Hauptstadt Kampala. Hätte denn die Familie das nötige Geld dafür? Wohl eher nicht, und so wird der Junge auch weiterhin nie mit seinen Freunden toben und auf Bäume klettern können. Und sollte er überhaupt das Erwachsenenalter erreichen, ist er nicht in der Lage, hart auf dem Feld zu arbeiten.

Um ihm wenigstens eine, wenn auch nur sehr kurze, Freude zu bereiten, schenke ich Collin Bonbons und einen Luftballon, den unser Übersetzer Nick mit einem lustigen Gesicht und dem Schriftzug „Merry Christmas“ bemalt.

Auf unserem Nachhauseweg rufen uns die am Straßenrand spielende Kinder wieder freudestrahlend zu: „Muzungu, how are you?“ Heute kann ich ihnen wirklich nicht mit „Fine“ antworten.“

Gemeinsam können wir auch in dem neu gestarteten Jahr 2013 Viel bewirken und wir möchten Sie an dieser Stelle bitten, bei unseren Hilfsmaßnahmen in Uganda an unserer Seite zu stehen. Vielen Dank.

humedica e. V.
Stichwort „Flüchtlingshilfe Uganda
Konto 47 47
BLZ 734 500 00
Sparkasse Kaufbeuren

Auch mit der bewährten Methode des Sendens einer sms können wir gemeinsam helfen: Stichwort DOC an die 8 11 90 senden und von den abgebuchten 5 Euro fließen 4,83 Euro unmittelbar in die humedica-Projektarbeit.