
Schlangenbisse und effektive Hilfe

Nach mehr als zwei Monaten ist Nils Stilke aus Pakistan zurück gekehrt. Im Gepäck hat der gelernte Krankenpfleger, der uns mit seinen kurzweiligen Tagebucheinträgen an seinem Einsatzalltag teilhaben ließ, unvergessliche Erlebnisse zwischen Lebensgefahr und Hilfe.
Nils, wie fühlen Sie sich nach zwei Monaten hartem Einsatz in Pakistan?
Ich bin zufrieden, mir geht es ganz gut. Der Einsatz war sehr vielseitig. Die Verteilungen von Hilfsgütern waren eine große Herausforderung, die ich aber gerne angenommen habe. Trotz vieler widriger Umstände in Pakistan, konnten wir das Projekt erfolgreich beenden. Natürlich bin ich müde; das kommt von den hohen Temperaturen im Land und der intensiven Arbeit, bei der wir täglich mit Schwierigkeiten konfrontiert waren. Ein paar Tage Erholung kann ich jetzt schon gut gebrauchen.
Wo lag der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

Eine unserer wichtigsten Aufgaben war die Verteilung von Notunterständen aus Naturmaterialien, Lebensmitteln, Mos-kitonetzen und Hygieneartikel an 3.000 Familien in den über-schwemmten Regionen Baluchistan und Sindh. Ich besuchte zuerst die betroffenen Regionen, befragte Flüchtlinge und Helfer über die aktuelle Situation und versuchte mir ein Bild von den größten Nöten zu machen, um möglichst effektiv zu helfen. Anschließend kaufte ich Hilfsgüter, stellte Personal ein und koordinierte die Verteilung in den betroffenen Regionen. Nebenbei musste ich die Arbeit dokumentieren.
Welche Situation haben Sie in den betroffenen Regionen angetroffen?
In den überschwemmten Gebieten lebten die Menschen auf erhöhten Strassen und Hügeln in der unerträglichen, prallen Sonne. Oft erreichte die Temperatur 50 Grad. Es gab weder Toiletten, noch ausreichendes Trinkwasser. Die Flüchtlinge tranken Wasser, das ebenfalls als Toilette benutzt wurde und in dem sie mit ihren Tieren badeten. Das führte logischerweise schnell zu Erkrankungen. Es mangelte an mobilen Ärzteteams, die in abgelegenen Regionen den Flüchtlingen hät-ten helfen können. Die Kinder gingen nicht zur Schule. Die verseuchten Wassermassen mit Strömungen und einer Wassertiefe bis zu drei Metern versperrten den Menschen den Weg zu ihren überfluteten Dörfern. Und gefährliche Schlangen stellten eine weitere, große Gefahr dar.
Mit welchen Problemen hatten Sie täglich zu kämpfen?

Übersetzungsschwierigkeiten, weite Distanzen, Gefahr von Terrorismus, schlechte Straßenverhältnisse und dann kam hinzu, dass in Pakistan einfach vieles nicht so reibungslos läuft, wie wir das in Deutschland kennen.
Was waren die häufigsten Erkrankungen?
Durchfälle aufgrund der hygienischen Verhältnisse und der mangelhaften Wasserversorgung. Dehydration, Hautkrankheiten, aber auch Erkältungskrankheiten und die angesprochenen Schlangenbisse.
Wie war die Reaktion der Bevölkerung auf Ihre Arbeit?
Viele Personen in den nicht betroffenen Landesteilen waren begeistert von unserer Arbeit und gaben uns das auch durch Rabatte bei Einkäufen zu verstehen. Betroffene Flüchtlinge begegneten uns oft zunächst skeptisch. Diese Skepsis wandelte sich aber in Dankbarkeit und Freundlichkeit, wenn sie bemerkten, dass wir gekommen waren, um zu helfen. Hinzu kommt, dass man sich bestimmter, kulturbedingter Verhaltensweisen bewusst sein sollte: Ich durfte keine kurzen Hosen tragen. Das Höflichkeitsverhalten, wie Tee trinken, längere Begrüßungen und Einladungen annehmen, nimmt auch relativ viel Zeit in Anspruch.
Gibt es einen typischen Tag im Projekt?

Während dieser Arbeit, gab es keinen typischen Tag, auf den ich mich vorbereiten konnte. Keine Arbeitszeiten, keine regelmäßigen Essenszeiten. Wir haben täglich zwischen 12 und 18 Stunden gearbeitet, sind kontinuierlich auf Reisen gewesen und von Hotel zu Hotel gezogen. Spontaneität und Einfallsreichtum sind die grundlegenden Eigenschaften, die den Tagesablauf gestalten. So kam es vor, dass ich um 2 Uhr nachts für 19.000 Euro 1000 Hütten eingekauft oder meine Wäsche gewaschen habe. Tagsüber schmiedete ich immer wieder Pläne, in welcher Reihenfolge und vor allem wie die Arbeit optimalerweise erledigt werden sollte. Meistens kam dann alles ganz anders. Kein Tagesablauf ist wie ein anderer.
Wie bereiten Sie sich persönlich auf einen derartigen Einsatz vor?
Als grundlegende Vorbereitung veranstaltet humedica für alle Helfer so genannte Trainingscamps, in denen die Helfer auf Katastropheneinsätze vorbereitet werden. Die Erfahrungen dieser Camps haben sich für meine bisherigen Einsätze sehr bezahlt gemacht. Neben dieser Basis-Vorbereitung, informiere ich mich über das entsprechende Land und die aktuelle Situation.
Nach mehr als zwei Monaten sind Sie nun nach Deutschland zurück gekehrt.
Wie stellt sich die Situation in Pakistan momentan dar?

Der Wasserstand ist deutlich gesunken, so dass viele Familien in ihre zerstörten Dörfer zurückkehren konnten. Unsere verteilten Baumaterialien werden beim Wiederaufbau der Häuser verwendet. Jedoch wird es noch Wochen dauern, bis auch die letzten überfluteten Felder wieder bepflanzt werden können. Hunderttausende Flutopfer sind immer noch obdachlos und leben unter extrem unhygienischen Umständen.
Vielen Dank für das Gespräch.