
Im Schlaf von der Katastrophe überrascht - 77.000 Menschen betroffen
Ausgelöst durch heftige Regenfälle des Taifuns Washi traf am späten Samstagabend des 17. Dezembers gegen eine bis zu 10 Meter hohe Flutwelle die Region um die philippinische Stadt Cagayan de Oro, sowie Iligan und viele weitere kleinere Ortschaften im Süden der Insel Mindanao.
Betroffen von Verwüstung und Zerstörung sind in acht größeren Städten weitere 39 Gemeinden. Da in dieser Region normalerweise keine Taifune stattfinden, wurden die etwa 77.000 Betroffenen im Laufe der Nacht von der Flutwelle oftmals im Schlaf überrascht. humedica-Koordinator Peter Pilz berichtet uns aus dem Katastrophengebiet.

„Bei dieser schlimmen Katastrophe haben derzeit 648 Menschen ihr Leben verloren, 562 werden nach wie vor vermisst, mehr als 55.000 Menschen konnten aus den betroffenen Gebieten mittlerweile evakuiert werden.
Lokale Evakuierungszentren wie Kirchen, Schulen oder überdachte Sportstätten waren schon wenige Stunden nach Beginn der Flutwelle überfüllt.
Viele betroffene, traumatisierte Menschen müssen daher in ihren zerstörten Behausungen mit Decken, Matten, Trinkwasser und Nahrung versorgt werden.
In den vergangenen Tagen hatte ich mehrmals die Möglichkeit, zusammen mit unserer Partnerorganisation Operation Blessing und den zuständigen Pastoren von verschieden Kirchengemeinden in die am schlimmsten betroffenen Gebiete in der Stadt Cagayan de Oro und Iligan zu fahren. Dort konnten wir einen Eindruck vom Ausmaß der Katastrophe bekommen.
Viele der Häuser in diesen Regionen sind komplett zerstört, weshalb die dabei ums Leben gekommenen Personen aus den Trümmern noch gar nicht geborgen werden konnten.
In diesen Regionen konnten wir auch nur mit Mundschutz verweilen, da der Gestank von Müll, Schlamm, Dreck und der beißende Verwesungsgeruch der Leichen ansonsten nicht erträglich waren.
In einem der Auffanglager konnten wir schließlich etwa zwanzig Kinder ausfindig machen, die besonders schlimme Erlebnisse durchmachen mussten.
Beim Besuch dieses Lagers hat sich das humedica-Team spontan dazu entschlossen, umgehend zu helfen, indem kurzfristig Kleidung, Schlafmatten, Decken und Schuhe gekauft wurden, um vor allem den Kindern ein wenig Unterstützung und Hoffnung zu geben.
Die Kinder waren anfangs verständlicherweise sehr zurückhaltend. Nachdem sie aber Vertrauen zu uns gefasst hatten, erzählten uns einige von ihnen die Geschichte zu ihrem Schicksal. So ist mir schnell die 15-jährige Jassimine aufgefallen, die sehr traurig und distanziert war und auch traumatisiert zu sein schien.

Das Mädchen ist im Schlaf von der Flutwelle weggespült worden und - man mag es nicht für möglich halten - auf einer völlig anderen Insel ungefähr 200 Kilometer entfernt wieder zu sich gekommen. Dort, weit entfernt von ihrem Zuhause, konnte sie gerettet werden.
Ihr Vater ist bei der Katastrophe ums Leben gekommen, die Mutter zu arm, um sich im Krankenhaus behandeln zu lassen. Ihr achtjähriger Bruder Jerryco konnte von Nachbarn gerettet werden, nachdem er auf andere zerstörte Häuser gespült worden war.
Auch die 17-jährige Lin hat ein besonders schlimmes Erlebnis hinter sich. Sie wurde unter den Trümmern ihrer Behausung begraben. Vom Wasser eingeschlossen, konnte sie schließlich nur gerettet werden, weil die Türen zu ihren Bereich eingetreten und geöffnet werden konnten.
Während sie uns dies erzählte, flossen ununterbrochen Tränen über ihr Gesicht. Wie lange mag es dauern, bis diese Kinder das Erlebte verarbeitet haben, bis ihre Seelen wieder geheilt sind?
Dies sind nur drei Geschichten, die diese Katastrophe geschrieben hat. Jeder der 77.000 Betroffenen hat sein eigenes Schicksal. Es könnten wahrscheinlich 77.000 verschiedene Geschichten dazu erzählt werden, würde man sie alle je in Erfahrung bringen.
Auffallend ist dabei, dass die meisten Menschen ihr Schicksal ohne Jammern oder Klagen ertragen. Man kümmert sich um die wenigen Habseligkeiten, indem versucht wird, zu säubern, zu reinigen und zu waschen, was noch vorhanden und brauchbar ist.
Ein Lächeln ist dabei allgegenwärtig. Wenn man jedoch nachfragt und die Fassade fällt, zeigen viele traumatisierte, betroffene Menschen Gefühle, die sie aufgrund ihrer asiatischen Lebensweise nach außen hin oft nicht zulassen.
Mittlerweile kann man aber auch schon die ersten Aufräumarbeiten durch Hundertschaften von Polizisten und verschiedene private Organisationen beobachten. Straßen werden gesäubert und sofern dies möglich ist, Hauseingänge von Schlamm und Schmutz gereinigt.
Die Bevölkerung in vielen Stadtteilen wird mit Wasser aus Tanklastwagen versorgt. Für viele die erste Möglichkeit, sich nach Tagen wieder zu waschen, um ein wenig Würde zurückzugewinnen.

Auch eine Welle der Hilfsbereitschaft durch die Bevölkerung ist wahrzunehmen. Von verschiedenen christlichen Organisationen sind freiwillige Helfer dabei, die gespendeten Hilfsgüter wie Wasserflaschen, Reis, Brot und andere Nahrungsmittel, Matten, Decken, Kleidung, sowie Wokpfannen und Schüsseln zu kleinen Sets zusammenzustellen.
Als sogenannte „Starter-Kits“ werden diese zur Unterstützung für den Neuanfang in den Auffanglagern der betroffenen Regionen an Bedürftige verteilt.
Hier helfen auch Menschen, die selbst durch die Katastrophe zu Schaden gekommen sind, aber noch Glück hatten und nun den Menschen helfen wollen, die noch schlimmer betroffen sind.
Fast eine Woche nach dieser furchtbaren Taifunkatastrophe hat es gestern Abend in dieser Region zum ersten Mal wieder geregnet, so daß viele Menschen unruhig wurden und Angst hatten, die Nächte in den ohnehin schon völlig zerstörten Behausungen und Auffanglagern verbringen zu müssen, denn die Erinnerung an das Erlebte kam plötzlich wieder zurück."
Heute flog ein weiteres humedica-Ärzteteam unter der Leitung von Prof. Dr. Heiner Laube (Gießen) in das Katastrophengebiet, wo es an Heiligabend eintreffen wird, um die betroffenen Menschen medizinisch zu betreuen.
Liebe Freunde und Förderer, bitte unterstützen Sie uns dabei, auch in der Weihnachtszeit, an der Seite der betroffenen Menschen auf den Philippinen stehen zu können.
humedica e. V.
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